Was die Baubranche von Apple lernen kann
Wertorientierte Preisgestaltung
Was hat ein Bauunternehmen mit dem weltbekannten Technikkonzern Apple gemeinsam? In erster Linie gar nicht mal so viel. Sollte es aber! Zumindest im Bereich der Preisgestaltung, findet Jonas Stamm von Molteo. Wieso, erklärt er in seinem Beitrag.
Wie kalkuliert eurer Unternehmen eigentlich aktuell seine Preise? Die Kosten plus einen kleinen Puffer und den Gewinn? So machen es klassischerweise noch die meisten Bauunternehmer, mit denen ich gesprochen habe. Damit befindet man sich dann auch direkt im Preiskampf mit den Wettbewerbern: Wer hat den niedrigsten Preis? Wer kann es noch günstiger anbieten? Sollte ich den Puffer reduzieren, um bei der Ausschreibung zum Zug zu kommen?
Ich möchte allen Unternehmern zu diesem preisgetriebenen Hamsterrad eine Alternative aufzeigen: Preisgestaltung, die sich am Wert orientiert. Denn euer Unternehmen kann mehr sein als die Summe von Arbeitskraft und Material. Wäre es nicht eine reizvolle Idee, wie der Technikkonzern Apple einfach Preise zu setzen, die Menschen ohne Murren zahlen?
Was ist wertorientierte Preisgestaltung?
Wertorientierte Preisgestaltung bedeutet, dass sich die Preisgestaltung danach richtet, wie viel Kunden bereit sind, für den Wert eines Produkts zu zahlen. Marken, die diesen Ansatz verfolgen, berücksichtigen die Interessen und Bedürfnisse ihrer Kunden. Wenn ein Bauunternehmen diesen Ansatz verfolgen will, muss es also Kunden finden, bei denen der Preis nicht das relevanteste Kriterium ist. Beispielsweise könnten bei dieser Zielgruppe die Qualität, Transparenz und Information während des Baus oder die Einhaltung des Zeitplanes im Vordergrund stehen. Klingt erstmal für die preisgetriebene Branche unrealistisch. Ich bin mir aber sicher, dass es diese Kunden gibt.
Der Vorteil dieser Art der Preisgestaltung ist, dass Unternehmen für Produkte und Dienstleistungen, die als hochwertig angesehen werden, mehr verlangen können. Dies ermöglicht den Unternehmen eine flexiblere Preisgestaltung. Aber auch für die Kunden bringt diese Vermarktung Pluspunkte. Die vier wichtigsten Vorteile haben wir euch zusammengestellt.
1. Geringeres Risiko von Qualitätsabweichungen
Wenn Kunden um einen Kostenvoranschlag für ein Bauvorhaben bitten, bekommen sie zwar Kosten dargelegt, haben aber keine Ahnung, in welcher Qualität das Projekt abgeschlossen wird. Genauso haben Unternehmer oft wenig Spielraum zu erklären, wie der Preis zustande kommt. Dreht man es um und verkauft dem Kunden beispielsweise ein „Premium-Bauprojekt“ zum Preis X und unterstreicht seine Fertigkeiten mit Referenzen und seiner Erfolgsbilanz, wissen alle bereits vorab, was genau sie erwarten können. Die Kunden kennen die Arbeitsweise des Unternehmens und dem Unternehmen sind die Bedürfnisse des Kunden bekannt. So minimiert man gemeinsam das Risiko von Fehlplanungen genauso wie von unrealistischen Erwartungen. Wird ein Bauprojekt hingegen auf der Grundlage der reinen Kosten für die Fertigstellung berechnet, besteht immer ein gewisses Risiko, dass Qualitätsabweichungen auftreten. Denn wenn der Kunde einen fixen Preis und einen fixen Termin zur Fertigstellung verlangt, bleibt dem Unternehmer nur die Verringerung der Qualität, um das zu erreichen.
2. Mehr Fairness in der Bezahlung von Dienstleistungen
Viele Unternehmen differenzieren kaum, wenn sie Stundenlöhne bei ihren Kunden in Rechnung stellen. Maximal wird eine Unterscheidung zwischen Meister und Geselle vorgenommen. So entsteht aber direkt auf zwei Seiten ein Ungleichgewicht. Zum einem bezahlt der Kunde gegebenenfalls für einen nicht so erfahrenen Arbeiter den gleichen Stundensatz wie für jemanden, der genau die benötigte Leistung schon zig mal erfolgreich ausgeführt hat. Zum anderen werden diese beiden Mitarbeiter oft auch identisch vergütet. So zahlt sich die Erfahrung und damit bessere Arbeitsqualität für den einen Mitarbeiter nicht aus. Bei der wertorientierten Preisgestaltung kann man die Erfahrungen und Qualifikationen mit einbeziehen. Verlangt der Kunde also ein iphone und kein phone oder in unseren Fall ein ihouse und kein Standardhaus, wird er sicher auch Verständnis dafür haben, dass nur die besten Arbeiter des Teams dieses Projekt umsetzen können. Und das hat halt seinen Preis. Natürlich muss man als Unternehmer dafür sein Baukompetenzmanagement auf dem neuesten Stand haben (dazu werden wir in den kommenden Wochen noch mehr berichten). Denn nur so kann man das richtige Team für das Projekt zusammenstellen.
3. Erhöhte Transparenz für alle beteiligten Parteien
Durch die Fokussierung auf den tatsächlichen Wert in Bezug auf den Nutzen für den Kunden wird die Preisgestaltung für alle am Projekt beteiligten Parteien einfacher. Denn die Unternehmen können ihre Leistungen vor Vertragsbeginn besser planen und dokumentieren, was die Transparenz zwischen ihnen und den Kunden erhöht. Zudem raten wir allen Unternehmern, nicht nur an Produkte wie die Bauarbeiten an sich zu denken, sondern auch an Services, die ein echter Mehrwert sein können. Beispielsweise könntet ihr euren Kunden anbieten, auch die Anmeldung für Strom und Wasser zu übernehmen. Gerade wenn man das öfter macht, benötigt es kaum Zeit. Für den Kunden rundet es aber das Komplettpaket ihouse ab.
4. Leichtere Planung und Dokumentationsanforderungen
Bei der Planung und Dokumentation von Bauprojekten ist es oft schwierig, die geleisteten Arbeitsstunden und die verwendeten Materialien korrekt zu erfassen. Das liegt daran, dass die herkömmliche Preisgestaltung von Projekten nach Kosten- oder Stundensätzen sehr zweideutig sein kann. Durch die Umstellung auf ein wertorientiertes Preismodell wird die Planung und die Dokumentation von Bauprojekten wesentlich einfacher. Zudem macht man aus einer Notwendigkeit – der Erfassung aller Stunden und Dokumentation der Bauarbeiten – eine Tugend. Die Kunden werden eine offene, moderne und zeitnahe Information und die damit einhergehende Transparenz sehr zu schätzen wissen. Dies gelingt ganz einfach, wenn man zum Beispiel einen BaustellenNewsfeed einrichtet.
Die Zukunft der Branche
Die Zukunft der Baubranche sieht positiv aus, da immer mehr Unternehmen auf ein wertorientiertes Preismodell umsteigen. Der technologische Fortschritt macht es Unternehmen möglich, ihre Leistungen und Erfolgsbilanzen transparent zu gestalten. Die Kunden haben somit mehr Vertrauen in den Bauprozess. Dadurch sind sie bereit, für Projekte, die mit einem geringeren Risiko für Qualitätsabweichungen durchgeführt werden können, einen Aufpreis zu zahlen. Hinzu kommt, dass durch den immer weiter ansteigenden Wohlstand in unserer Gesellschaft, Menschen vermehrt dazu tendieren, Convenience-Produkte zu kaufen. Was im Lebensmitteleinzelhandel schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, wird nach und nach auch ein Trend in der Baubranche werden. Dieser Wandel bedeutet aber nicht, dass die Projekte zwangsläufig teurer werden, sondern dass die tatsächlichen Kosten im Voraus bekannt sind. Etwaige Nachbesserungen oder gar Rechtskosten können so durch einen höheren Anfangspreis ersetzt werden. Die Technologie und die neue Art der Dokumentation des Bauprozesses reduziert damit die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten.
Unterm Strich muss sich aber natürlich jeder Unternehmer selbst fragen, welche Preisstrategie die richtige für ihn oder sie ist. Wollt ihr wie Aldi immer den günstigsten Preis anbieten? Oder wollt ihr wie Apple ein wertiges Produkt schaffen, wofür Menschen gerne zahlen? Die Entscheidung habt ihr in der Hand.